GeorgeTheMerlin - 24/8/2016 um 14:27
Fragt man die Leute hier, was sie zur Magie gebracht hat, so ist es meist
ein "Wissen" seit Kindheit, dass es da "mehr" gibt, als die
Alltagsrealität.
Andere wiederum "wissen" genau, dass es außerhalb der Alltagsrealität
nichts weiter gibt.
Wo kommt dieses "Vorwissen" her - und was ist es?
Ist es INTELLEKTUELLES WISSEN?
Das kann ein Zugang sein, viele Denker haben mit unterschiedlichen
Ergebnissen die spirituelle - magische Dimension ausgelotet. Allerdings
dürfte ein "Wissen von Kindheit an" kaum intellektuelles Wissen sein.
Ist es ein SCHATTENTHEMA?
Alle Erfolgsgeschichten von Gebrüder Grimm bis Michael Ende bis Harry
Potter haben dieses EINE Muster: ein gemobbtes Kind entdeckt seine
magischen Fähigkeiten oder Helfer - und wird etwas BESONDERES.
Real dürfte es sich dann um eine KOMPENSATION handeln, um einen
MINDERWERTIGKEITSKOMPLEX zu verdrängen.
Oder man GLAUBT an Reinkarnation, an das Übernatürliche - weil man Angst
vor der ENDLICHKEIT des Lebens hat.
Natürlich gibt es diese Aspekte. Unterstellt wird oft, dass diese
psychologischen Aspekte ALLES dazu sind. Unterstellt wird auch oft, dass
magisches Denken infantiles Denken sei.
Dieser Aspekt ist aber NICHT ALLES dazu. Und rein mechanisches Denken
könnte man ebenso in das unreife Denken von vorpubertären Knaben ansiedeln.
So also nicht.
Ein anderer Aspekt, der mit hier wichtig ist, ist WAHRNEHMUNG.
Dieser Aspekt ist allerdings beunruhigend. Unreflektiert meinen wir, wir
nehmen alle gleich wahr. Reflektiert lebt aber jeder in einem eigenen
WAHRNEHMUNGSUNIVERSUM.
ENDLICHKEIT UND UNENDLICHKEIT SIND WAHRNEHMUNGEN.
Aufgrund von WAHRNEHMUNG besteht also diese AFFINITÄT zu einer mehr
magischen - oder rein physikalischen Welt.
Die Frage nach einer Wirklichkeit von Reinkarnation ist die Frage nach der
SELBSTWAHRNEHMUNG.
Ich kenne die Wahrnehmung von Endlichkeit - die Wahrnehmung von
Unendlichkeit - und die Wahrnehmung von dem Unbeschreiblichen - weder
Endlich noch Unendlich.
Und genau hier komme ich an ein KOMMUNIKATIONSPROBLEM.
Beispiel: werde ich älter, hat es in meiner Wahrnehmung durchaus Sinn,
etwas völlig Neues zu lernen - auch wenn ich damit keine Karriere mache: es
hat Sinn, zu LEBEN. Neugierig zu sein. Neue Fähigkeiten anzueignen.
Weil es eine WAHRNEHMUNG von einem Weiterbestehen gibt - dass neu Gelerntes
im Alter eben nicht sinnlos ist - dass es über dieses Leben hinaus Sinn
macht, etwas AUFZUBAUEN.
Dass es über dieses Leben hinaus etwas AUFBAUENDES gibt.
Dies ist WAHRNEHMUNG. Wahrnehmung einem Zusammenhang von Zeit und Sein.
Der eine hat sie so - der andere genau so nicht. Der andere nimmt
ENDLICHKEIT wahr - worüberhinaus nichts AUFGEBAUT werden kann.
Werde ich mit jemanden konfrontiert, der diese WAHRNEHMUNG ÜBER DIESES
LEBEN HINAUS nicht hat, für den das Leben sinnloser wird, je älter er wird
- habe ich ein Kommunikationsproblem. Ein VERMITTLUNGSPROBLEM.
Ich kann ihm mein sinnvolles Leben NICHT VERMITTELN. Wenn ich da helfen
will, macht mich das selber hilflos - ich kann meine WAHRNEHMUNGSART nicht
RÜBERBRINGEN. Da kann ich mir den Mund fusselig reden - VERSTAND ALLEIN
ERREICHT KEINE NEUE SEINSERFAHRUNG.
Wir können davon ausgehen, dass jemand, der Magie betreibt - in einer
anderen WAHRNEHMUNGSWELT lebt als ein reiner Materialist.
IRRTÜMLICHERWEISE nehmen wir an, dass beide in gleichen Welten zuhause sind
- und dass es eine Frage des INTELLEKTUELLEN GLAUBENS oder WISSENS ist.
Es ist aber eine grundlegende Frage der ERFAHRUNG VON WAHRNEHMUNG -
Selbstwahrnehmung und Weltwahrnehmung.
Lässt man sich tiefer auf KUNST ein. kann das das eigene
Wahrnehmungsspektrum erweitern. Spirituelle Erfahrungen, manchmal
Droenerfahrungen, können die eingefahtrene Wahrnehmungswelt buchstäblich
auf den Kopf stellen.
Sitzen und meditieren - Extremsport - beides sucht eine besondere
Wahrnehmung.
Es muss aber schon eine bestimmte Seins-Wahrnehmung da sein - um
Wahrnehmungen über sich selbst hinaus zu SUCHEN. Es gibt auch eine
endliche Selbswahrnehmung, die selbst diese Suche ausschließt.
Und wer als Kind "weiss", dass es "mehr" gibt - der nimmt mehr oder anders
wahr als die Menschen seiner Umgebung.
WAHRNEHMUNG als Fokus ist aber beunruhigend.
Was gleich schien, werden getrennte und völlig unterschiedliche
Wahrnehmungswelten - und der VERSTAND ALLEIN reicht nicht aus, um das zu
kommunizieren oder mitteilen zu können. Der RÜCKZUG AUF DEN VERSTAND, um
über Realität zu kommunizieren - scheint ein Verdrängungsmechanismus zu
sein - um unsre Verschiedenheit nicht fühlen und erfahren zu müssen.
Der erste Schritt, um hier wieder weiterzukommen: die Verschiedenheit
unserer Wahrnehmung - unser Erfahrung des InDerWelt Seins - anzuerkennen -
sie zuzulassen - und zu fokusieren.
Uber WAHRNEHMUNGSWELTEN zu kommunizieren, nicht nur ausschließlich über
KONZEPTE.
Denn das vergessen wir in intellektuellen Auseinandersetzungen nur allzuoft
- es geht nicht um unterschiedliche KONZEPTE - es geht um UNTERSCHIEDLICHES
SEIN!
grüssli merlynn
[Editiert am 24/8/2016 um 20:12 von GeorgeTheMerlin]
Sarija_ - 26/8/2016 um 07:07
Hm, würde ich zu großen Teilen nicht zustimmen, angefangen bei der
Bezeichnung "Wissen" für die Annahme oder Erfahrung von "mehr".
Ich habe die unschönen Aspekte meiner Kindheit und Jugend kompensiert,
indem ich mir eine Fantasiewelt gebastelt und Geschichten geschrieben habe,
abgesehen vom Lernen für die Schule, das mir meistens Spaß gemacht hat und
insofern ein schöner Ausgleich zu dem war, was man zwischenmenschlich
teilweise an Unangenehmem erlebt hat.
Der spirituelle Kram hatte für mich dann doch ganz einfach etwas mit
Erfahrung in dem Bereich zu tun.
Gefühlt ist die Existenz von "mehr" seitdem für mich schon "Wissen" - im
Sinne von selbst erlebter Erfarhung, die ich aufgrund dessen, was ich als
Kind gelernt hatte, eigentlich für nicht möglich gehalten hätte.
Ich bin allerdings nicht so sehr von mir selbst eingenommen, dass ich
tatsächlich meinen würde, das sei "Wissen". Es ist persönliche Erfahrung,
und die werde ich mir von niemandem absprechn lassen. Es ist in Erwägung zu
ziehen, dass persönliche Erfahrungen auch einfach nette Selbst-Täuschungen
des Gehirns sind - dazu zumindest ist der Mensch gut in der Lage.
Ein Kommunikationsproblem sehe ich da auch nicht, denn da ich diesbezüglich
an nichts so sehr glaube, dass ich es zum "Wissen" oder gar zum notwendigen
Wissen erklären würde, mangelt es mir an der Arroganz, irgendwelche
Menschen darüber belehren, aufklären oder missionieren zu müssen. Bei
deinem Text störe ich mich da speziell an der Wortwahl, "helfen" zu
sollen/wollen/müssen.
Es ist keine "Hilfe", das eigene Weltbild über das anderer Menschen zu
stellen und mehr oder weniger gewaltsam zu versuchen, es auch ihnen
aufzupropfen, es hat ziemlich viel damit zu tun, sich selbst und das eigene
Weltbild erstmal für besser oder wertvoller zu halten als das des
Anderen.
Ist natürlich etwas Anderes, wenn man explizit um Hilfe gebeten wird. Aber
auch die sollte man ja leisten können, ohne das Weltbild der anderen Person
in Frage stellen zu müssen. Ich für meinen Teil biete meine Sichtweise der
Dinge insofern auch bloß Leuten an, die mich explizit danach fragen.
Den Sinn ihres Lebens müssen Menschen selbst finden. Wenn sie als Suchende
kommen und nachfragen, kann man ihnen natürlich die eigene Perspektive
schildern. Aber selbst dann: Ob sie davon etwas mitnehmen, und wie viel,
werden sie selbst entscheiden. Das macht ihre Sichtweise nicht weniger
wertvoll oder eingeschränkter als meine. Bloß anders.
Ob man selbst glücklicher mit der eigenen Perspektive lebt, ist leider kein
Argument dafür, dass die eigene Sichtweise richtiger sei als die der
anderen. Wie man nach der Nazi-Zeit, in der definitiv die Menschen
glücklicher gelebt haben, die vor allem erfolgreich die Augen verschlossen
haben, noch in Erinnerung haben dürfte, kann "glücklich sein" manchmal auch
viel damit zu tun haben, dass man sich selbst einfach effektiver
verschaukelt als der Rest das tut.
Ist also alles keine Grundlage, sich für irgendwie besser oder wissender
als Andere zu halten.
Am Rande noch, zur Wahrnehmung: Nun, gewisse Übereinstimmungen
vorauszusetzen, ist unter Menschen sicherlich nicht allzu verkehrt. Soweit
man es mit gesunden Menschen zu tun hat, ist sich ja zumindest die Hardware
recht ähnlich, die das Ganze verarbeitet. Was du aber zu meinen scheinst,
ist sowieso nicht die Wahrnehmung selbst (also: Wie gelangt das Bild über
das Auge in mein Gehirn), sondern eher die Interpretationsebene (sehe ich
den Ball als Ball, als dreidimensionales Objekt; als physikalisch
interessante Ansammlung von Atomen oder in dem Moment bloß als
Spielgerät?), bei der ich eher von Perspektive sprechen würde.
Die Wahrnehmung eines vom Dach fallenden Ziegels braucht sich nicht
notwendigerweise unterscheiden, während das bei der Interpretation sehr
anders aussehen kann, je nachdem, ob man an Vorsehung oder Zufall, an eine
belebte oder eine unbelebte Natur glaubt.
Inwiefern ich dir am Ende dann zustimme, ist, dass es Perspektiven gibt,
die sich ohne persönliche Erfahrung schwer vermitteln lassen, weswegen es
beispielsweise im Zen ja über die Jahrhunderte sehr unterschiedliche
Methoden gegeben hat, auf eine "Einheitserfahrung" hinzuarbeiten. Der
Knackpunkt ist allerdings der, dass ein Weltbild nur in dem Moment wirklich
breiter ist als das einer anderen Person, wenn es die Perspektive möglichst
nicht in irgendeiner Weise festlegt.
Leider lässt sich auf dieser Ebene das praktische Leben nur sehr schwer
bewältigen. Und das ist das eigentliche Problem, das ich in Erfahrungen
sehe, die über die Alltagsrealität hinausgehen.
Einige lassen sich am Ende integrieren, mit dem Ergebnis wirklich breiterer
Perspektive. Andere bleiben aus gutem Grunde draußen.
Gruß,
SJ
[Editiert am 26/8/2016 um 07:21 von Sarija_]
GeorgeTheMerlin - 27/8/2016 um 17:36
Wissen geht bei mit hier mehr in Richtung "Gewißheit" - nicht unbedingt in
Richtung "Verstehen". Mehr in Richtung SEIN - weniger in Richtung
intellektuelles Kennen (wer kennt die Hauptstadt von China - auch dies wird
als Wissen bezeichnet, aber das meine ich hier nicht).
Verstehen betrifft ja nicht unbedingt Seins-Wahrnehmung oder Sein, sondern
den Verstand, den Intellekt. Das meine ich hier nicht.
Als Jugendlicher hatte ich beispielsweise ein spirituelles Wissen - welches
ich überhaupt nicht verstehen konnte. Diesen INNEREN Zwiespalt musste ich
damals überwinden - lebenspraktische Aspekte (Ausbildung) traten dann mehr
in den Hintergrund, was aus heutiger Sicht ein Fehler war, und mir
gesundheitlich sehr geschadet hat.
Schulwissen, kulturelles Wissen konnte mir mein "Wissen" und "Da-Sein"
nicht erklären. Also mußte ich suchen - Resonanzen finden (was selten
gelang) und Verstandesfragen lösen.
Dann will dieses "Vor-Wissen" ja icht nur erkannt, sondern auch erweitert
werden. Dass es hier auch Verbindungen zur "Realen Welt" gibt, kam mir erst
viel später - nach viel Integratinsarbeit.
Anderen sein "Welt-Bild" aufzudrücken - genau darum geht es ja nicht. Ein
Welt-Bild ist ein Bild, welches sich der Verstand zurechtzimmert. Aufgrund
von AFFINITÄTEN aus der Seins-Wahrnehmung.
Oft reden wir dann mehr über Welt-Bilder - als über unsere Seins-Zustände.
Die Sehnsucht nach mystischen Erfahrungen ist eigentlich die Sehnsucht nach
einem erweiterten SEIN - nicht die Sehnsucht nach einer neuen Philosophie -
oder einem anderen Welt-Bild. Nach einer mystischen Erfahrung integriert
man diese meist in einem erweiterten Weltbild - was aber immer auch ein
selbstkritischer Prozess sein sollte. Und ein kritischer Prozess ist.
(Fanatismus, Aberglaube). Für mich, finde ich mich BEWEGLICHER, wenn ich
von einer GLAUBENS-AFFINITÄT spreche, als von einer Wahrheit. Und mehr auf
diese AFFINITÄT eingehe - dann dort bin ich! Nicht in den
Verstandeskonzepten, das sind sekundäre Er-Zeugnisse.
Cary Grant war nun überzeugt, eine erweiterte Seins-Erfahrung (bei ihm LSD)
hätte ihm geholfen. Was macht er jetzt? Wie kommuniziert er sein
"Wissen"?
Er wird feststellen: kommunizieren kann man nur über WELT-BILDER - aber
nicht über erweiterte Seins-Wahrnehmungen und Zustände.
Dann kann er - wie damals Leary, von Hoffmann und Jünger dafür heftig
kritisiert - eine Mission starten, dass jeder LSD nehmen sollte. Dann wird
er feststellen, dass es vielen schadet, dass viele ABSTÜRZEN. In Anstalten
landen, psychotisch werden.
Es gibt keine Methode für jedermann. Jeder scheint einen EIGENEN WEG zu
sich selbst zu haben.
Man könnte Cary Grant sagen, er solle schweigen. Nur: SEIN WILL SICH
MITTEILEN - AUSTAUSCHEN.
Erweitertes Sein läßt sich aber schlecht austauschen - es sei denn ein
Pseudo Austausch über Weltbilder. Hier würde ein Cary Grant irgendwann
SPÜREN, dass er LABERT. Mit anderen Worten - was er austauschen will, wird
er auch hier nicht austauschen können. Es wird zum Gelabere über
Welt-Bilder.
Wenn WISSEN ÜBER DEN VERSTAND HINAUSGEHT - gibt es da ein
Kommunikationsproblem, finde ich. Dieses auf der Ebene von Welt-Bildern
lösen zu wollen, sehe ich kritisch - ds wäre dann wirklich lediglich ein
Über-Stülpen, oder Über-Zeugen.
Es ist da auch nicht möglich, jemanden zu belehren. Vielleicht
grundsätzlich darüber, dass es ums SEIN geht - auf sich selbst zuzugehen
muss jeder selbst. Krass gesagt: wenn jemand leidet, hilft es nicht, wenn
ich für ihn pinkele.
Der Verstand scheint in Bezug auf SEINS-WISSEN hier außen vor zu sein -
aber das wäre ebenfalls fatal. Der Verstand ist für mich ein sehr wichtiges
Werkzeug - am Besten aber BEWEGLICH und selbstkritisch eingesetzt. Der
Verstand produziert Bilder, Modelle, und Praktisches - durchaus aber auch
KUNST, wenn es ein integriertes Wissen ist.
Sein läßt sich über Kunst ausdrücken, weswegen Kunst oft schwer
"verständlich" ist. Läßt man sich auf Kunst ein, erweitert es das Welt-Bild
UND das Sein. Ich bin daher für Kunst - statt Drogen. Aber auch Kunst will
in die Persönlichkeit INTEGRIERT sein - abgestürzte Künstler gibt es nun
ebenfalls genug.
Kurz: für mich gibt es eine Art Wissen, welches sich mehr in SEIN ausdrückt
als im Intellekt. Die Art, zu SEIN, begünstigt die Art der Welt-Bilder,
oder die Resonanz zu bestimmten Welt-Bildern (Spirituell - Materiell zum
Beispiel). Manchmal hat man schon als Kind ein bestimmtes "Wissen" -
manchmal "erscheint" es plötzlich irgendwann im Leben, wie bei mir in der
späten Jugend. Dieses "Seins.Wissen" will in die Persönlichkeit inteagriert
werden - aber auch mit anderen ausgetauscht werden.
Dann kann es zu Kommunikationsproblemen kommen - wir können projezieren,
Affinitäten zu Weltbildern austauschen - aber schwerlich andere
Seins-Zustände und Seins-Wahrnehmungen.
Gewöhnlich projezieren wir unsere Welt auf andere. Ein erster Schritt mag
sein, mit dem Projezieren aufzuhören - und versuchen, SEIN zu er-spüren. In
dem selbstkritischem Wissen, wie unvollkommen wir darin sind - und wie
leicht wir ins Projezieren verfallen.
Es bereichert aber die Kommunikation ungemein, wenn wir SPÜREN und SEIN mit
einbeziehen.
grüssli merlynn
Sarija_ - 28/8/2016 um 09:55
Nun, um schlicht bei dem Wort "Gewissheit" zu bleiben - man kann das als
"Weltbild" auffassen, wenn man es aufblasen will, ich denke, eigentlich ist
das Ganze deutlich einfacher.
Gewissheit bedeutet einfach einen Mangel an Zweifel.
Je stärker die Selbstimmunisierung gegen Zweifel, gegen das
In-Frage-Stellen und alternative Interpretationen, desto größer die
Gewissheit.
Je größer die Gewissheit, desto größer die Selbstsicherheit dabei,
bestimmte Thesen zu vertreten. Eine Selbstsicherheit, die mit nicht wenig
Arroganz einhergeht, aber Menschen, die Anlehnung suchen, suggeriert, dort
eben den anderen Aspekt der Selbstsicherheit zu finden, nämlich
Sicherheit.
Zweifel bedeutet immer Ungewissheit, Bewusstheit über die Ungewissheit
bedeutet damit immer auch Angst.
Furchtlosigkeit erscheint erstrebenswert, sie ist psychisch einfach weniger
anstrengend.
Insofern gibt es eine Menge Menschen, die den leichteren Weg des
Aber-Glaubens vorziehen, der sich auf Selbstimmunisierung versteht. Und
deswegen sind ja Satanisten und Schwule für die breite Masse immer noch
vertrauenswürdiger als Atheisten: Weil Letzteren der Makel des Zweifels und
der Skepsis anhängt, die insbesondere in der modernen Esoterik unerwünscht
sind.
Sich selbst einzureden, intellektuell und hinsichtlich Belegbarkeit sehr
dünne Überzeugungen seien "Wissen", hat am Ende immer auch mit
Selbsterhöhung zu tun, ähnlich wie der "Erwähltenstatus", den besonders die
abrahamitischen Religionen, aber auch diverse Verschwörungstheorien ihren
Anhängern vermitteln.
Es gibt einfach Menschen, die mehr an der Wahrheit interessiert sind, aber
nunmal auch solche, denen es wichtiger ist, sich wissend und besonders zu
fühlen.
Was du "Sein" nennst, erscheint mir als bloßer Ausdruck von Zufriedenheit
damit, sich davon überzeugt zu haben, nachdenken sei sch***e. Und der
typische Esoteriker findet das nun nicht irgendwie bedenklich, sondern ist
da auch noch stolz drauf.
Ich denke, damit landet man dann auch an der Stelle, die die Kommunikation
in der Esoterik so unglaublich schwierig macht: Derartigen Narzissmus wie
in dieser Szene trifft man im Bereich von Skeptikern selten. Skeptiker kann
man immer noch darauf hinweisen, dass sie nicht alles wissen, und i.d.R.
fühlen sie sich ihren geistigen Kapazitäten soweit verpflichtet, dass sie
nicht umhin kommen werden, dem zustimmen zu müssen.
Esoteriker immunisieren sich dagegen, indem sie dem Gebrauch geistiger
Kapazitäten einen Makel anhaften.
Im klassischen Buddhismus ist die Unwissenheit neben Neid und Gier eine der
mächtigsten Verkörperungen Maras. Nicht, dass man sie im religiös
organisierten Buddhismus deswegen nicht als Mittel einsetzen würde. Aber
ich fürchte, bei christlich indoktrinierten Westlern wird Unwissenheit erst
überhaupt nicht als Mangel eingestuft - Glauben ist seliger als die Suche
nach Wissen, schon immer gewesen.
Das Problem bei der bloßen Behauptung und dem bloßen Glauben, bei den
eigenen Überzeugungen handle es sich um Wissen, deutet sich dann auch in
einer Signatur in dem Thread an, aus dem du den Anstoß für diesen Thread
genommen hast:
Wer davon überzeugt ist, zu wissen, entledigt sich der grauenhaften Option,
noch mehr lernen zu müssen. Geschweige denn, Dinge überdenken zu müssen,
denn es handelt sich bei den eigenen Glaubenssätzen, der eigenen
Überzeugung nach, ja gar nicht mehr um Glauben ... sondern um Wissen. Und,
besser noch, "höheres" Wissen. Also Wissen, das so toll sein solle, dass
das Nachdenken und die Suche nach Evidenz ihm zwar widerspricht, das aber
einfach sooo wichtig ist, und so heilig ist, dass man sich versündigen
würde, würde man Anstalten machen, kritisch darüber nachzudenken.
Manchmal bin ich schon wirklich froh, Satanist zu sein. Mehr Erkenntnis,
die diese Bezeichnung wirklich verdient, erlangt man wohl in keinem anderen
System. Weil es in jedem anderen System unglücklicherweise heilige Kühe
gibt, die nicht geschlachtet werden dürfen.
Die allermeisten dienen freilich im Wesentlichen als Opium zum Ruhigstellen
der Masse.
[Editiert am 28/8/2016 um 09:58 von Sarija_]
Alles und Nichts - 28/8/2016 um 11:01
Ich habe wirklich nur mal stellenweise quer gelesen. Mein Eindruck ist,
dass die Prä-, Transverwechslung (siehe Ken Wilber, OM C. Parkin) der
Knotenpunkt ist, an dem Ihr aneinander vorbeiredet.
Sarija, meiner Meinung nach sprichst Du die esoterischen Dummköpfe an, die
prärationale Erfahrungen mit transrationalen Erfahrungen verwechseln.
Sorry, Narzisten machen vor keiner sozialen Gruppe halt, die findest Du
überall.
Georg deutet mit seinen Beiträgen häufig auf transrationale Erfahrungen
hin.
Sarija_ - 29/8/2016 um 07:37
Hm, kann sein, die hab ich oben mal kurz in ein oder zwei halben Sätzen
abgehandelt, weil ich sie für selbstverständlich halte.
Übrigens gänzlich ohne Zuhilfenahme von Drogen.
[Das sei angemerkt, weil mich überrascht, wie häufig man auch im Bereich
Magie und Okkultismus auf Leute trifft, deren Erfahrungen in dem Bereich
sich ohne Zuhilfenahme von Chemie von außen so ungefähr auf "null"
belaufen.]
Soll heißen, für mich sind Erfahrungen, die über das hinausgehen, was das
naturwissenschaftliche Weltbild abdeckt, einigermaßen normaler Alltag. Ich
gehe darauf basierend bloß nicht hin und ziehe aus diesen Erfahrungen
Schlüsse, die man aus ihnen nicht ziehen kann. Und wer das mal ein paar
Jahre macht, wird feststellen, dass sich da auch einiges verändert, im
Laufe der Zeit. Eine Entwicklung, der man sich verschließt, wenn man
stattdessen jede kleine Vision oder jeden hellsichtigen, klaren Moment für
etwas nimmt, das sie nicht sind (beispielsweise: Beweis/Nachweis für Gott;
Zeichen, AuserwählteR einer Gottheit zu sein; erleuchtet zu sein; über gut
und böse zu stehen - all solcher Blödsinn halt).
Ich denke, Stein des Anstoßes war ja tatsächlich Beitrag einer neuen
Userin, die bislang noch keine Anstrengungen unternommen hat, sich von der
auf Selbsterhöhung ausgerichteten Gruppe der selbsterklärten Erleuchteten
und Verschwörungstheoretiker zu distanzieren ;-)
Und sicher gibt's Narzissten überall. Aber die Esoszene dürfte der wohl
gefährlichste Sumpf diesbezüglich sein. Ich hab noch keine Ecke in der
Esoterik gesehen, in der die grundlegende Ethik nicht massiv darunter
gelitten hätte, dass man entweder irgendeinem geistigen "Führer"
hinterhergelaufen wäre, und/oder sich selbst für wahnsinnig wissend
gehalten hätte. Und die tatsächlichen Erfahrungen, die dem dann
zugrundeliegen, wenn man mal nachhakt, sind meist schlicht unbedeutend, aus
der Perspektive von jemandem, der sich damit schon länger beschäftigt.
Im Bereich der Esoterik macht man sich ja leider nicht konsequenzenlos ohne
jede Hemmung viel vor ... sondern hat es da auch immer wieder mit Leuten zu
tun, die das einigermaßen schamlos ausnutzen.
Und spätestens, wenn die Leute dann mal den vorgeblichen Buddhisten mit
ihrem de facto Nihilismus zum Opfer fallen, ist es mit dem Sinn der Leute
für Ethik und jede Art von Werten sowieso vorbei.
Zu großen Teilen kommen dabei Leute heraus, die sich selbst, vor allem aber
auch anderen, gar nicht selten Schaden zufügen, und wenn das bloß ein
finanzieller ist, hat man noch Glück im Unglück. Ich finde, das ist Grund
genug, an die Selbsterhöhung des Gedankens, subjektive Erfahrung sei
automatisch höheres Wissen, einigermaßen kritisch heranzugehen.
Die Erfahrung, dass unsere Gesellschaft Menschen mit spirituellen
Erfahrungen nicht leitet oder anleitet, und die daraus resultierende
Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit habe ich durchaus selbst erlebt.
Ich wünsche das anderen Leuten nicht. Wer aber beginnt, diese Erfahrungen
für "Wissen" zu halten, bloß weil er oder sie noch nie wen getroffen hat,
der auf dem Gebiet weiter gewesen wäre, macht einen Fehler, der für eine
Menge Leute im eigenen Umfeld verheerende Konsequenzen haben kann.
Am schlimmsten sind am Ende dann diejenigen, die über genügend Charisma
verfügen, Gurus zu werden, und deren Bull**** mehr als bloß ein halbes
Dutzend Leute fressen.
Um aber einfach einmal kurz die Frage knapp zu beantworten: "Alltag" ist
einfach immer das, was für einen Menschen normal ist. Man kann Erfahrungen
machen, die über das hinausgehen, das besonders verbohrte Menschen
beschränkterweise für das halten, was "möglich" sein sollte. Das ist dann
eine subjektive Erfahrung. Wer sich im Weiteren dann mal im "Wissen" der
verschiedensten Weltreligionen umsieht, wird allerdings feststellen: Von
"Wissen" kann hier nach allen Ansprüchen, die man an "Wissen" in der
sonstigen Welt stellt (belegbare Ergebnisse etc.), keine Rede sein. Denn
wenn man mal davon ausgeht, dass die "großen Geister" der verschiedenen
Religionen vielleicht zumindest zum Teil aus Leuten bestanden haben, deren
Erfahrungen noch deutlich über das Eigene hinausgehen, wird trotzdem
feststellen, dass ihre Interpretationen extrem unterschiedlich
ausfallen.
Wenn es "Wissen" wäre, hätten die Leute sich irgendwann auf etwas einigen
können. Der Teil, bei dem das tatsächlich so ist, beschränkt sich aber dann
auf die geringen Erkenntnisse, von denen die allermeisten Menschen (die
solche Experimente angehen) schon nach ihren ersten LSD- oder
Ecstasy-Erfahrungen berichten können.
[Editiert am 29/8/2016 um 07:59 von Sarija_]
GeorgeTheMerlin - 10/9/2016 um 00:23
Prärational - transrational - das halte ich für eine bahnbrechende
Unterscheidung!
Hi - hier ging es ja um das Phänomen, dass einige auf diese Welt etwas
mitbringen - was sich so hier nicht integrieren läßt. Wir sind nicht
unbeschriebene Blätter, die von der Gesellschaft indoktriniert werden. Wir
scheinen auch etwas mitzubringen.
Dieses "Etwas" habe ich mal als Wissen - Vorwissen bezeichnet. Bei manchen
erwacht es plötzlich im Leben. So war es bei mir - und ab da war es aus mit
der bürgerlichen Laufbahn. Heute würde ich es nicht mehr für unintegrierbar
halten - das war damals leider anders und hat einen hohen Preis gekostet
(Gesundheit usw).
Dieses Vor-Wissen will dann integriert - VERSTANDEN werden.
Auf diesem Wege des VERSTEHENWOLLENS kann es diese ABSTÜRZE geben - auf die
Sarija hinweist. Da ist vielleicht eine gespeicherte transrationale
Erfahrung - vor diesem Leben gemacht - und nun SUCHT MAN NACH RESONANZEN zu
dieser Erfahrung. Nach ERKLÄRUNGEN - nach SOZIALER GEMEINSCHAFT - nach
KOMMUNIKATION.
Unreflektiert, wenn es dumm läuft - vermischt sich diese Erfahrung mit
unbewußten Schatten - zum Beispiel mit dem eigenen Narzismus. ICH BIN WAS
BESONDERES! Das ist wohl kaum ein tieferes Verständnis für eine
transrationale Erfahrung - aber, wie Sarija richtig sagt - NARZISMUS ist
die erste Falle!
Die nächste Falle - auch von Sarija erwähnt - ist UNREFLEKTIERTE RESONANZ.
Irgendeine Verschwörungtheorie - vermischt mit spirituellem Quark -
aufgrund einer unreflektierten Resonanz fühle ich mich angezogen und halte
es für WAHR.
ODER: ich bemühe mich, diese FALLEN zu erkennen und versuche eine wirkliche
Integration. Vor allem - ein WEITERGEHEN - ein DARÜBERHINAUSGEHEN.
Schattenarbeit könnte so ein Weg sein. Aber beim besten Willen: kein Weg
und NIEMAND ist frei von all diesen FALLEN - aufgrund unserer dunklen
Inhalte. Sarija hatte einige dieser Fallen aufgezeigt - diese waren erstmal
nicht mein Thema gewesen.
Sie sind aber SOFORT Thema und stehen auf der Matte - wenn eine
transrationale Erfahrung unser SEIN beeinflußt - aber nicht rational
integriert ist.
Dieser INTEGRATIONSABSICHT stehen alle diese Fallen gegenüber.
Viele okkulte Schulen legen daher Wert auf BEIDE SEITEN: die rationale
Seite - und die intuitive Seite.
grüssli merlynn
[Editiert am 10/9/2016 um 00:26 von GeorgeTheMerlin]
Minerva1 - 11/9/2016 um 15:01
Da hat Merlin duchaus recht. die "Ich-bin-was- besonderes" Falle ist
wirklich böse. Gerade als junger/jüngerer Mensch kann man da schnell rein
tappen. Ich denke manche Menschen ahnen das es noch mehr gibt. Neugier mehr
zu erfahren spielt meiner Meinung nach eine ganz wichtige Rolle. Man sollte
aber auch nicht den Einfluss anderer, vielleicht spirituell eingestellter
Menschen vergessen. So etwas kann einen kleinen Schubs in die ein oder
andere Richtung geben. In meinem Fall war das der Ergo und Psychotherapeut
meines Bruders, der an Auras und Reinkarnation glaubte. Dieser Mensch hat
mich tief beindruckt.Das war in den 1990ern. Eigene Erfahrungen kamen erst
später . Leider wird man mit spirituellen Dingen etwas allein gelassen und
wird oft als "Eso-Spinner" abgetan. Ein offenerer olnt toleranterer Umgang
mit transrationalem wäre zu wünschen.
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